Regina Kiwanuka
Beobachtungen und Kommentare:
4.April 2007
Oury-Jalloh-Prozess am Landgericht von Dessau in Ost-Deutschland
Dienstag 27. März – Freitag 30. März 2007
Es war hektisch diesen Dienstag Morgen. Menschen aus allen Gesellschaftsschichten erschienen vor den Türen des Landgerichts, um zu bezeugen und den Prozess zur Erlangung von Gerechtigkeit für einen der unseren, Oury Jalloh, zu beobachten. Am 07. Januar 2005 starb Oury Jalloh eines erschreckenden Todes in der Zelle Nummer 5 im Keller eines Polizeireviers in Dessau. An Händen und Füßen gefesselt wurde er in eine Zelle gesteckt und starb eines Verbrennungstodes. Jetzt war die Zeit gekommen, von den Leuten, die ihn in die Zelle zum Sterben packten, mehr über die Details zu hören, die zu seinem grässlichen Tod führten. Die Medien schickten mehr als zwanzig Vertreter von vielen verschiedenen Anstalten.
Nach 26 Monaten vehementer Kampagnen und Proteste der Oury-Jalloh-Initiative, welche von Engagierten und MenschenrechtsaktivistenInnen verschiedenster Nationalität, darunter Deutschen, gegründet und getragen wurde, war das Gericht gezwungen, die zwei am Morgen des 07.Januar 2005 Dienst ausführenden Polizeibeamten Schubert und März anzuklagen.
Einige Minuten nach neun Uhr wurden die Türen geöffnet und eingerannt von vielen Männern und Frauen, die Presse drängte mit hinein mit ihrer Ausrüstung. AnwältInnen und WürdenträgerInnen verschiedener Organisationen drängten schamlos ins Innere, um einen geeigneten Platz zur Beobachtung des Tagesgeschehens zu ergattern. Der erste Verhandlungstag ließ vom Landgericht selbst den höchsten Grad von Vorurteilen ersichtlich werden. Der einzige afrikanische Zeuge zu Gunsten des Verstorbenen wurde von dem Richter selber eingeschüchtert und herzlos kreuzverhört. Der Richter versteifte sich auf die unterstellten Gewohnheiten von Oury Jalloh, insbesondere das negative Verhalten, welches als gesellschaftlich unakzeptabel gilt. Die Fragen, die er stellte kreisten um Alkoholismus, Drogenabhängigkeit und Aggressivität. Nicht eine Frage bezüglich des Grundes seiner Festnahme noch danach, ob der eine Telefonanruf zur Unterrichtung eines Freundes von seiner Festnahme erlaubt wurde oder ob er statt in eine Polizeizelle, nicht eher in ein Krankenhaus hätte gebracht werden sollen. Was das Gericht zu sagen schien, war, dass ein schwarzer Mann keine Menschenrechte verdient und daher ihm keine zu gewähren sind. So wie sie unsere Vorfahren zur Versklavung und Ausplünderung schnappten, ohne Achtung der Menschlichkeit, so verhielt es sich hier auch – eine klare Ausdehnung der Apartheid auf ein fremdes Land [???].
Der Mutter von Oury Jalloh wurden die Details der grausamen und inhumanen Art und Weise, wie Oury festgenommen, zur Polizeiwache geschleift und verbrannte, nicht erspart. Die harten Fragen des Richters, ob Oury Haschisch rauchte, ob er überhaupt eine Therapie begonnen hatte, wie aggressiv er war. Trank er Alkohol? Warum trinken Menschen? Er fuhr fort, Oury Jalloh in der Gegenwart seiner Mutter und seines Halbbruders, welche aus Guinea angereist waren, um den Prozess und den letzten Tag ihres Nahestehenden beizuwohnen, zu kriminalisieren. Das Gericht zeigte sich wie die Invasion der Aggressoren vor fünfhundert Jahren. Die Verbitterung und der Schmerz des schwarzen Mannes kristallisierten sich in dieser armen Frau, die während des ganzen Prozesses nicht aufhörte, um ihren Sohn zu trauern.
Herr Andreas Schubert, der Dienstgruppenleiter der Dessauer Polizeiwache, unter dessen Ägide innerhalb eines Zeitraumes von vier Jahren zwei Gefangene in der selben Zelle starben, ist ein arroganter und sehr von sich überzeugter Mensch. Er schien nicht von den Ereignissen berührt zu sein, keine Anzeichen der Reue. Für ihn handelte es sich bloß um einen weiteren Todesfall in einer Polizeizelle. Wie viele weitere Tode wird er ignorieren bis der Arm des Gesetzes einschreitet? Er ist die Verkörperung der Kolonialherren, welche grauenvoll das Leben aus unseren Vorfahren saugten, die versuchten, sich des verabscheuungswürdigen Terrors des Kolonialismus zu widersetzen.
Alle Polizeibeamten, alle ZeugInnen verneinten und widersprachen vorherigen Aussagen während dieser vier Tage. Das entspricht der bedeutungslosen Unabhängigkeit in den ehemaligen Kolonien. Afrikanische Führer und Unabhängigkeit sind bloß ein Zerrbild, um die Dummen zu verdummen, denn Afrika ist nach wie vor von Kolonialismus, anhaltender Plünderung von natürlichen und menschlichen Ressourcen, geschlagener und zu Tode verbrannter Menschen, der Ausweitung von Apartheid und nicht länger versteckter Ausmerzung beherrscht. Viele Details wurden umgangen durch ein „ Keine-Aussage“ - das gilt insbesondere für das von Herrn Schuberts geführte rassistisches Telefongespräch mit dem Doktor.
Die Aggressoren von vor fünf hundert Jahren nannten uns bei unfass- und
unvorstellbaren Namen – Affen, des Lebens unwürdige Gorillas, während sie zur selben Zeit das Leben in uns erstickten. Wo bleibt die Beachtung der Internationaler Konventionen für Flüchtlinge? Alle Zeugen versicherten, dass sich am Körper von Oury Jalloh nirgendwo ein Feuerzeug befand. Wo kam also das Feuerzeug her, dass den verhängnisvollen Brand auslöste? Wer schleuste es ein? Wer verbrannte Oury Jalloh und was war das Motiv? Nach den Zeugenaussagen der ersten vier Tage verbrannte die deutsche Polizei Oury Jalloh lebendigen Leibes. Herr Schubert hat nicht zögerlich auf den Feueralarm reagiert –
er hat ihn einfach ignoriert. Nach Jalloh wurde zwischen 10.00 und 11.54 Uhr hin und wieder geschaut, um zwölf Uhr haben sie ihn dann brennen lassen. Ist es nicht erstaunlich, wie alle Polizeibeamten ihre zeitliche Orientierung für die letzte Stunde verloren haben? Dass der schwarze Rauch so unerträglich war, aber sich keine Zeichen von Feuer einstellten! Wieviel Zeit bedarf es, bis sich schwarzer Rauch entwickelt in einer Wache voll mit Polizeibeamten? Verblüffenderweise weisen alle Polizeibeamten für den 07. Januar 2005 Gedächtnisschwächen in Bezug auf die Frage, wer und wie viele anwesend waren, auf. Die widersprüchliche Aussage Schneiders, „nachdem wir ihn gefesselt hatten, ließen wir ihn einfach da“, besagt alles. Viele Fragen erwachsen aus dieser Aussage.
Des weiteren bestätigt die Angst in den Augen des Anwalts der Verteidigung, Herrn Sven Tamoschus, welche der Zeugenaussage des Beamten Schneiders galt, viel mehr als nur das offenbar ersichtliche.
In einer Dreistigkeit, die erschreckend ist, wurde der Vollzug der Gerechtigkeit ständig behindert. Herr Schneider und Herr März verhafteten Jalloh am 07.Januar 2005. Wer sonst wäre besser in der Lage, zu erklären, was wirklich an diesem Tag geschah, als die Täter selber? Die Art und Weise wie Herr Schneider die Ereignisse schildert, dass Jalloh sehr mutig gewesen sei, dass er der Polizei etwas entgegnete, dass er keine Angst hatte und ihnen überdrüssig war. Die Polizei war sehr wütend und aggressiv. Wie Schneider vorführte, schupsten sie ihn kopfüber, steckten ihn ins Auto und fuhren ihn in das drohende Inferno. Hat er geschrien? Hat er nach Hilfe gerufen? Wurde er bevor er zu Kohle verbrannte bewusstlos geschlagen oder ließen sie ihn es spüren? „Im Keller gab es sowieso nichts brennbares, er ist gefliest“, sagte ein Beamter. Wurde Oury Jalloh als eine der Fliesen gezählt? Und woher kamen die Wasserpfützen in der Zelle Nummer 5? Wird die Welt jemals die wahren Umstände hinter der berüchtigten Tat kennen lernen? Dieser unverständliche Tod von Oury Jalloh, Hände und Füße gefesselt, an die Wand gebunden und auf einer Matratze liegend, in Gewahrsam genommen von Polizeibeamten, die einen Eid zur Wahrung und nicht Zerstörung von Leben abgelegt haben, steht für Apartheid, erweiterten monströsen Kolonialismus, Kapitalismus, Imperialismus und vor allem für die verachtenswerten Versuche und Vorstellungen der weißen Rasse, die afrikanische auszulöschen.
Oury Jalloh wurde kriminalisiert, in dem er als Alkoholiker, als Drogenabhängiger mit aggressivem und ungebührendem Verhalten, als Suizidgefährdeter, dargestellt wurde. Um ihre barbarischen Grausamkeiten zu rechtfertigen, ist das System bereit, bis ans äußerste zu gehen, damit die Polizei aus der Verantwortung entlassen wird und um den Willen und die Würde des afrikanischen Menschen zu brechen. Wenn wir umgebracht wurden, sollen ihre Taten für immer gerechtfertigt werden, in dem sie uns kriminalisieren und wir dagegen keine Stimme haben.
Wir müssen diese gezielte kriminelle Anstrengung, den afrikanischen Menschen aus dem Universum zu beseitigen, aufzeigen und abweisen. Der Tod von Oury Jalloh ist ein bedeutsames Zeichen für den Verusch dieser Beseitigung.
Ich heiße Regina Kiwanuka. Ich bin ein politischer Flüchtling und eine Menschenrechtsaktivistin in Deutschland. Mein Vater Benedicto Kiwanuka war der erste Premierminister und der erste Präsident des Obersten Gerichtshof in Uganda. Er wurde am 21. September 1972 aus den Kammern seines Obersten Gerichtshof geschleift und anschließend brutal von den Handlangern Idi Amins umgebracht. Er starb eines langsamen und qualvollen Todes als er bei lebendigem Leibe in Stücke geschnitten wurde. Bendedicto Kiwanuka starb im Kampf für die Stimmenlosen wie Oury Jalloh. Ich verbinde seinen langsamen und qualvollen Tode mit dem von Oury Jalloh, weil es sich um die Herrschaft und Macht der Aggressoren handelt. ZEIGT MIR EINEN ANDEREN PLANETEN OHNE DIESE AGGRESSOREN UND ICH WERDE GEHEN.
Regina Kiwanuka in Nürnberg.